Faust und Wagner auf dem Osterspaziergang, Lithographie von Gustav Schlick
Faust und Wagner auf dem Osterspaziergang, Lithographie von Gustav Schlick

 

"Das also war des Pudels Kern!"

 

Goethe, bekennender Nicht-Hundefreund, setzte dem Pudel in seinem "Faust. Der Tragödie erster Teil" ein literarisches Denkmal für die Ewigkeit. Wir erinnern uns:

Studierzimmer – Pudelszene: Faust, Mephisto

Faust übersetzt den Anfang des Johannes_Evangeliums. Um den Sinn des griechischen Wortes "logos" zu erfassen, zieht er die Übersetzungen Wort, Sinn und Kraft in Erwägung und entscheidet sich dann für Tat: Im Anfang war die Tat.

 

Unterdessen wird der ihm zugelaufene Pudel unruhig. Von Faust zur Rede gestellt und mit Zaubersprüchen beschworen, entpuppt sich das Tier schließlich als der Teufel Mephisto („Das also war des Pudels Kern!“ 1323), der sich vorstellt als ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft, und als Geist, der stets verneint ...

Man fragt sich, warum Goethe ausgerechnet den Pudel zum Teufel machte - eine interessante Abhandlung zum Thema hier vom Berliner Pianisten Klaus Schäfer: 

 

Was ist „des Pudels Kern“? 

Des Pudels Kern in Goethes Faust ist der Unhold Mephisto, der sich zunächst als Pudel tarnt und dann menschliche Gestalt annimmt. Aber die eigentliche Frage hinter der Frage ist:

Warum wählt Goethe ausgerechnet einen Pudel als Trugbild des Teufels und keine Bestie wie die von Baskerville oder ein niedliches Schoßhündchen, warum überhaupt ein Tier? 

 

Hunde im Allgemeinen sind, evolutionär betrachtet, domestizierte Wölfe, also an den Menschen angepasste Raubtiere zum gegenseitigen Nutzen (wachen, jagen, kooperieren, heute noch besonders gut zu sehen bei den auch äußerlich Wölfen ähnlichen Husky-Schlittenhunden); Pudel im Besonderen sind Muster an Freundlichkeit, Gelehrigkeit und Spielfreude, neigen mitunter sogar zur Clownerie, und sind aus all diesen Gründen prädestiniert z. B. für den Zirkus. 

 

Mephisto ist dem Pudel scheinbar ähnlich: ein intelligenter, charmanter Spieler - mit dem entscheidenden Unterschied, dass er Böses im Schilde führt, den Menschen schaden will, sie zu seinem Werkzeug macht. Mephisto verkörpert das Gegenteil der Harmlosigkeit des Pudels: Der Pudel ist ein Sinnbild für die Kraft, die stets das Gute will, und Mephisto für den Kern, der stets das Böse schafft. Der Mensch trägt beides in sich. Faust als Homo (non) sapiens begegnet beiden Spiegelbildern seiner selbst und versteht doch beide nicht, weil er zwar wissenschaftlich umfassend studiert, aber emotional unwissend ist, er hat Geistes-, aber keine Herzensbildung.

 

Man spricht so gern vom „Tier im Menschen“ und meint damit das Unzivilisierte, Urzeitliche. Goethe verkehrt die Zuordnungen in ihr Gegenteil: Der Pudel ist harmlos-friedlich-symbiotisch; das Verderben erscheint in Menschengestalt. Mephisto ist nicht nur des Pudels, sondern genau genommen Fausts, also des Menschen Kern. Bei Brecht heißt diese Methode später Dialektik, Goethe wendet sie hier mehrfach an als Bild im Bild.

 

Und was ist Cocos Kern? Natürlich Frauchen und überhaupt alle lieben und geliebten Menschen! Denn so ist das wahre Leben: Was man einpflanzt, das vermehrt sich – auf Gegenseitigkeit …